Besichtigung von Weimar und Buchenwald
In den letzten Monaten wurde viel über die Verteidigung der Demokratie gesprochen und heftig diskutiert, ob man sie mit Waffen verteidigen soll. Der Blick in die Geschichte greift da oft zu kurz. Mit Förderung durch das Bundesprojekt „Demokratie leben!“ wurde deshalb diese Bildungsfahrt vom Verein Fulda stellt sich quer in Kooperation mit der AWO Fulda organisiert.
Der Bus war mit Menschen aus verschiedenen Stadtteilen (Ziehers-Süd, Ostend, Aschenberg) und verschiedener Herkunft (Türkei, Syrien, Deutschland, Russland, Kasachstan, Ukraine) besetzt. Es war das erste Mal, dass so ein gemeinsamer Ausflug unternommen wurde. Er war geprägt vom freundschaftlichen Umgang miteinander und großer Disziplin. Die Erläuterungen der Fremdenführer wurden spontan ins Russische übersetzt, unser Dank geht da insbesondere an Elena Niesenbaum.
Vor der Stadtführung in Weimar konnte noch eine Brotzeit serviert werden, die Stefan Faulstich vom Verein der Köche zur Verfügung gestellt hatte. Dann wurden uns die freiheitlichen Gedanken von Goethe und Schiller nahegebracht, die Vereinnahmung der Stadt durch Nazi-Deutschland und die revolutionäre Neugestaltung der Architektur durch das Bauhaus.
Sehr beeindruckend ist die Anna-Amalia-Bibliothek mit ihrem von Bücherwänden umgebenen Lesesaal (kostenlos zugängig!), der sich über 6 Etagen erstreckt. Wie uns erzählt wurde, war die Herzogin Anna Amalia Regentin anstelle ihres unmündigen Sohnes und hat den freiheitlichen Gedanken und der Bildung des Volkes den Weg bereitet.
Nach so viel geballter Bildung war das Erleben des Konzentrationslagers Buchenwald ein richtiger Schock. Es ist kaum nachzuvollziehen wie ein Mensch dem anderen so etwas antun kann. Mittels Propaganda war es möglich geworden, dass Tiere höher eingestuft wurden als bestimmte Menschengruppen. So gab es dort zum Beispiel einen Zoo mit Bärenzwinger. Die Bären wurden gut genährt, und das Misshandeln der Hunde der Wachmannschaften war unter Strafe gestellt. Direkt nebenan standen die Baracken der Häftlinge, die unter physischem und psychischem Druck litten: Zwangsarbeit, Unterernährung, räumliche Enge und Denunziation. Zwischen 1937-1945 waren insgesamt 266.000 Menschen aus allen Ländern Europas im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Die Zahl der Todesopfer wird auf etwa 56.000 geschätzt.
Die Bedeutung des Konzentrationslagers als Wirtschaftsfaktor wurde ausführlich erläutert. Nicht nur dass es pharmazeutisch-medizinische Versuchsreihen gab, die Gefangenen mussten auch im Steinbruch arbeiten und für eine Produktionsstätte der Gustloff-Werke einen Gleisanschluss bauen. In den anschließenden Fabrikhallen wurde die Elektronik für Marschflugkörper in die aus Dora angelieferten Raketen gebaut. Außerdem wurden Gefangene gegen Geld auch an andere Werke deutschlandweit ausgeliehen.
Buchenwald war das größte KZ auf deutschem Boden. Nach der Befreiung durch die Alliierten ging es leider unrühmlich weiter, denn bis 1950 wurde es durch die sowjetische Besatzungsmacht als „Speziallager Nr. 2“ weiterbetrieben. Bei den Massengräbern des KZ am Südhang des Ettersberges errichtet die DDR 1958 einen weithin sichtbaren Turm, der als Nationaldenkmal diente, das die deutschen kommunistischen Widerstandskämpfer ehrt.
Insbesondere die erst kürzlich aus der Ukraine geflüchteten Menschen reagierten auf das Lager und die Besichtigung des Krematoriums sehr emotional, leben sie doch aktuell in der Ungewissheit, was wohl mit ihren Männern, Freunden und Verwandten im Osten passiert. Gespräche und Anteilnahme sind das einzige, was wir beitragen können. Die Fahrt hat den Wert der Demokratie vor Augen geführt. Hoffen wir, dass die Diplomatie die Demokratie retten kann.
Der Schornstein als Sinnbild des Grauens