„Ich habe mit vielen Leuten zu tun, die jeden Tag Rassismus erleben“
Er wurde und wird angefeindet, angegriffen und diskriminiert, nur weil er eine andere Hautfarbe hat als die meisten Menschen in Deutschland. Den Kampf gegen den Rassismus hat er sich daher zur Aufgabe gemacht, trat zu diesem Zweck 2009 in die AWO ein und vertritt den Kreisverband Fulda seit zwei Jahren als Beisitzer des Vorstands. Im Gespräch verrät Ronald Kyesswa, was ihn antreibt und wie er versucht, den Kindern seines Heimatlandes Uganda zu helfen.
Du bist Beisitzer im Vorstand der AWO. Seit wann machst du das schon?
Seit Dezember 2020. Ich hab mich dazu in der Lage gefühlt, diese Aufgabe zu übernehmen. Wolfram Latsch, Geschäftsführer der AWO in Fulda, hat mich dann gefragt, ob ich nicht Lust auf die Mitarbeit im Vorstand hätte. Für die Vielfalt ist es wichtig, dass jemand wie ich im Vorstand ist. Und es ist förderlich für die Fuldaer Kinderhilfe Uganda, für die ich mich engagiere.
Welche Aufgaben übernimmst du im Vorstand der AWO?
Wir besprechen Projekte und ich vertrete die AWO Fulda auf Veranstaltungen. Ich bin auch erster Vorsitzender der SPD Horas/Aschenberg. Seit 2014 bin ich Beisitzer im SPD-Stadtverband. Ich wusste also, was in so einer Position auf mich zukommt. Ich wurde von Menschen unterstützt, die ich von der SPD kannte und die auch bei der AWO waren.
Wie lange kümmerst du dich schon um die Kinderhilfe?
Ich mache das zusammen mit meiner Familie, meiner Mutter und meiner Schwester. Wir kümmern uns um Waisenkinder in Uganda, die ihre Eltern durch HIV verloren haben. Wir müssen noch vielen Kindern dort helfen. Doch die Unterstützung fehlt uns. Wir suchen auch innerhalb der AWO nach Unterstützern, damit die Kinder etwas zu essen bekommen und zur Schule gehen können. Bildung ist das wichtigste, was Afrika braucht. Wir können Afrika nicht hier helfen. Wir müssen dort die Rahmenbedingungen für die Zukunft des Kontinents schaffen. Das Problem sind die finanziellen Möglichkeiten. Ich habe gehofft, dass wir durch meine Mitgliedschaft im Vorstand der AWO Möglichkeiten der Unterstützung finden. Mein langfristiges Ziel ist es, eine Schule für die Waisenkinder zu bauen.
Stammst du selbst aus Uganda?
Ja. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, haben wir zu einem Waisenhaus gemacht. Das war ein Wunsch meiner Großeltern.
Seit wie vielen Jahren betreibst du die Kinderhilfe Uganda?
Seit zehn Jahren. Mit der AWO kooperieren wir seit 2020. Dort Mitglied wurde ich 2009. Zur selben Zeit bin ich auch in die SPD eingetreten.
Warum Ronald Kyesswa der AWO beitrat
Was waren deine Gründe für die Mitgliedschaft bei der AWO?
Weil ich die AWO über die SPD kannte. Sie ist eine soziale Organisation, die sich um die Menschen kümmert, die Hilfe brauchen. Ich bin auch jemand, der gerne Menschen in Schwierigkeiten unterstützt. Deshalb dachte ich, die AWO ist ein guter Platz für mich.
Wer sollte sich deiner Meinung nach in der AWO engagieren?
Jeder kann sich engagieren. Menschen vieler Nationalitäten kennen mich. In Gesprächen mit ihnen mache ich immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, sich zu engagieren, besonders in der AWO und der SPD. Gerade den Kampf gegen Rassismus halte ich für sehr wichtig. Ich bekomme dafür kein Geld, sondern tue es für die Gesellschaft, die Zukunft unserer Kinder.
2009 bist du in die AWO und die SPD eingetreten. Gab es vorher ein Ereignis, dass dich dazu motiviert hat?
Ich habe damals an der Hochschule Fulda meinen Master in Internationalem Management gemacht und nebenbei im Esperanto-Hotel gearbeitet. Ich hatte dort Kollegen aus der Türkei, die mir sagten: „Ronald, wenn du etwas bewirken willst, musst du in die SPD eintreten.“ Daraufhin habe ich nach den Zielen dieser Partei gefragt. Das wichtigste dieser Ziele ist für mich nach wie vor der Kampf gegen Rassismus. Ich denke, dass die SPD dazu in der Lage ist, den Rassismus zu bekämpfen. Und gleiches gilt für die AWO. Das hat mich dazu veranlasst, in diese beiden Organisationen einzutreten.
Hast du selbst Rassismus erfahren?
Ja, mit Sicherheit. Auf der Straße. Ich habe mit vielen Leuten zu tun, die jeden Tag Rassismus erleben. Ich bin aufgrund meiner Hautfarbe auch angegriffen worden. Viele Flüchtlinge berichten mir ähnliches. 2015 war ich für das DRK in der Flüchtlingsunterkunft in einem ehemaligen Baumarkt in Fulda tätig. Die Menschen dort haben mir viel über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung berichtet. Weil ich das kenne, war es mir wichtig, mich dafür einzusetzen den Rassismus zu bekämpfen.
Welche Form der Diskriminierung hast du erfahren?
Nach meinem Master habe ich eine Weiterbildung zum SAP-Finanzbuchhalter gemacht und konnte in diesem Bereich arbeiten. Ich war allerdings immer nur über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt und habe bis heute Probleme, einen Job in Festanstellung zu finden. Denn aufgrund meiner Hautfarbe erfahre ich bei der Jobsuche Diskriminierung.
Was würdest du Menschen raten, die ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben?
Sie sollten sich immer Hilfe suchen und darüber reden.
Hast du das Gefühl, dass das Land seitdem du hier lebst toleranter geworden ist?
Die Entwicklung ist positiv. Aber der Weg, bis Rassismus besiegt sein wird, ist sehr lang. Wir müssen einfach jeden Tag dranbleiben.
Warum Kyesswa sein Heimatland verlies
Wann bist du nach Deutschland gekommen?
Ich bin 2002 nach Deutschland gekommen. Meinen Bachelor habe ich in Uganda im Rechnungswesen und Management gemacht. Von dort aus habe ich mich an der Justus-Liebig-Universität in Gießen für den Master beworben. Ich bekam eine Zusage mit der Voraussetzung, vorher Deutsch lernen zu müssen. Später habe ich die Hochschule gewechselt und meinen Abschluss hier in Fulda gemacht. Der Grund für meinen Wechsel war, dass meine Mutter seit 1992 in Fulda lebt. Sie kam damals als Geflüchtete. Auch meine Geschwister leben mittlerweile in Deutschland.
Wie schwierig war es für dich, die deutsche Sprache zu lernen?
Das war nicht einfach. Ich musste mehrere Prüfungen für die jeweiligen Sprachniveaus schreiben, bis meine Deutschkenntnisse für das Studium ausreichten. Es hat ungefähr zwei Jahre gedauert, bis ich der deutschen Sprache mächtig war. Im Laufe der Zeit lernt man in der Kommunikation mit anderen oder auch durch das Lesen von Büchern, sich noch besser zu verständigen. Das dauert.
Wie schwer fiel es dir, dein Heimatland zu verlassen und dich auf eine neue Kultur einzulassen?
Das war für mich natürlich auch nicht einfach. Nachdem ich die deutsche Bürokratie kennengelernt habe, merkte ich, dass es nicht so leicht werden würde, wie ich angenommen hatte. Ich hätte auch wieder zurückgehen können, aber weil meine Mutter hier lebt, bin ich stark geblieben.
Welche Unterschiede zwischen Deutschland und Uganda hast du bemerkt?
Uganda ist ein unterentwickeltes Land. Die Armut ist groß. In vielen Bereichen gibt es keine Strukturen und kaum Bürokratie. Deutschland hingegen ist hochentwickelt und im Vergleich zu Afrika sehr sicher. Hier kann man so viele Dinge lernen, die den Menschen in Uganda helfen würden. Man kann den Leuten von hier aus helfen, ihnen beibringen, dass die Demokratie, die in Afrika nicht richtig funktioniert, wichtig ist. Über die Kinderhilfe versuche ich die Werte der Demokratie und Toleranz zu übermitteln.
Was bietet dir einen Ausgleich zu deinem gesellschaftlichen Engagement?
Ich bin in einer Gruppe von Menschen, die sich regelmäßig zum Wandern verabreden. Das Wandern, besonders in der Rhön, und während der Pausen gemeinsam zu picknicken, macht mir Spaß. Daneben diskutiere ich gern mit anderen über Politik. Dafür interessiere ich mich sehr.
Interview: Toni Spangenberg