Birhik Bashar lebte mit seiner Familie in der nordsyrischen Großstadt Qamischli, bis ihn der Krieg in seiner Heimat 2015 zur Flucht zwang. Über den Balkan erreichte der 49-Jährige gemeinsam mit seinem Sohn Deutschland und holte zwei Jahre später seine Familie nach. Dass er heute einen Job hat, von dem er seine Familie ernähren kann, verdankt er Mitarbeitern und Ehrenamtlichen der AWO. Heute sind seine Familie und er selbst AWO-Mitglieder. Warum, das verrät er im Interview.
2015 haben Sie Syrien aufgrund des Kriegs verlassen.
Ja, ich bin alleine mit meinem Sohn gekommen. Nachdem wir schon zwei Jahre in Deutschland gelebt hatten, konnte ich meine Frau und meine vier anderen Kinder nachholen. Ich hatte nicht genug Geld, damit wir hätten zusammen flüchten können. Aber das ist lange vorbei.
Einer meiner Söhne will heute Friseur werden. Meine anderen drei Kinder besuchen die Schule. Und ich bin mittlerweile Opa, weil meine älteste Tochter, die mit ihrem Mann in Stuttgart lebt, vor kurzem ein Kind bekommen hat.
Ist es Ihnen schwergefallen, Syrien damals zu verlassen?
Wir sind wegen des Krieges geflüchtet. Die Entscheidung fiel uns zwar schwer, aber wir hatten keine Wahl. Wir mussten an die Zukunft unserer Kinder denken. Mein Onkel war Vorsitzender einer Partei und Gegner von Baschar al-Assad. Er hat ihn auf Demos kritisiert. Assad und seine Leute haben ihn umgebracht. Das hat mich geprägt.
Wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
Wir waren einen Monat unterwegs – zu Fuß, im Schlauchboot, mit der Bahn –, bis wir über die Türkei und den Balkan nach Deutschland gekommen sind. Die Reise war beschwerlich.
Wie schwer war es, in Deutschland anzukommen?
Bis klar war, dass ich in Deutschland bleiben durfte, musste ich 1,5 Jahre in einer Geflüchtetenunterkunft leben. Danach habe ich einen Deutschkurs besucht und hatte anschließend Glück, schnell eine Stelle gefunden zu haben. In Syrien habe ich als Bauarbeiter gearbeitet.
Und heute?
Ich arbeite Vollzeit in einer Umzugsfirma.
Wie Birhik Bashar AWO-Mitglied wurde
Wie schwierig war die Jobsuche in Deutschland?
Kariem, der im AWO-Stadtteiltreff Südend arbeitet, wohnt in meiner Nachbarschaft. Er hat mich ein paar Mal auf Veranstaltungen der AWO eingeladen und mich bei Fragen zu dem ganzen Papierkram beraten. Er hat mir auch erzählt, dass die AWO Menschen bei der Bewerbung hilft.
Das heißt, die AWO hat Sie bei der Jobsuche unterstützt.
Genau. Vor vier Jahren kam ich zu Kariem und habe ihm gesagt, dass ich meine Zweifel habe, die deutsche Sprache gut zu beherrschen. Ich wusste, dass ich nicht sprachbegabt bin, und wollte daher nicht erst auf eine Ausbildungsstelle warten, sondern direkt arbeiten. Kariem hat dann den Kontakt zu einer Ehrenamtlichen der AWO hergestellt, die Menschen bei der Jobsuche und bei Behördengängen hilft. Sie hat in der Zeitung eine Annonce von der Umzugsfirma entdeckt, bei der ich heute arbeite. Zwei, drei Tage später hatte ich dort einen Termin und wurde anschließend erst einmal für sechs Monate eingestellt. Ich bin groß, habe Kraft und einen Führerschein. Die Sprachkenntnisse waren weniger wichtig. Deshalb hat mir mein Arbeitgeber eine Chance gegeben. Heute habe ich einen unbefristeten Vertrag, denn mein Chef kann sich auf mich verlassen und ist zufrieden mit mir. Ich habe ihm später einen anderen Geflüchteten empfohlen, der jetzt auch Teilzeit bei uns arbeitet.
Heute ist Ihre ganze Familie Mitglied bei der AWO. Warum?
Ich wollte etwas zurückgeben. Die AWO hat uns so sehr bei der Integration unterstützt. Ich habe auch an einigen Aktionen teilgenommen. Vor vier Jahren haben wir zum Beispiel im Stadtteiltreff Südend ein Gemüsebeet angelegt. Da habe ich mit angepackt. Auch meine Familie nimmt hin und wieder an AWO-Veranstaltungen im Gallasiniring teil. Kariem meinte, mit der Mitgliedschaft könnten wir die AWO dabei unterstützen, noch mehr leisten zu können. Die AWO hilft so vielen Menschen. Was gibt es besseres? Und fünf Euro pro Monat machen nicht viel aus.
Sie sagten, Sie hatten Probleme Deutsch zu lernen. Aus welchen Gründen?
Meine Freunde, meine Kollegen sprechen polnisch, kurdisch, arabisch, russisch. Zu Deutschen habe ich so gut wie keinen Kontakt. Da fällt es umso schwerer, Deutsch zu lernen. Ich hatte nur in der Sprachschule Gelegenheit, Deutsch zu sprechen. Mittlerweile hat sich meine Sprache durch die Arbeit aber etwas verbessert und ich lerne ganz Deutschland und Europa kennen. Ich war zu Umzügen in München, Hamburg, Berlin, in Holland, der Schweiz, in Österreich. Meine Frau bemüht sich auch, Deutsch zu lernen und besucht regelmäßig die AWO-Sprachkurse am Gallasiniring.
Was Birhik Bashar an Deutschland schätzt
Welche Unterstützung hätten Sie sich damals gewünscht, als Sie hier ankamen?
Ich hätte gern von Anfang an gearbeitet. Ich kann nicht den ganzen Tag nur zu Hause sitzen.
Welche Bilanz ziehen Sie nach sieben Jahren in Deutschland?
Ich fühle mich wohl, meine Kinder gehen zur Schule. Es geht mir gut. Ich arbeite und ernähre meine Familie. Damit habe ich mein Ziel erreicht. Und mir gefällt es hier. Ich schätze das politische System, die Gleichberechtigung, Freiheit und Ordnung hierzulande.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute nach Syrien blicken und sehen, dass noch immer Krieg herrscht?
Es ist wie in der Ukraine. Russland und Amerika wollen ihre Interessen durchsetzen. Und die Russen machen Syrien und die Ukraine kaputt. Das ist schlecht.
Haben Sie noch Verwandte in Syrien?
Meine Mutter und meine Geschwister leben noch dort. Mein Vater starb vor sieben Monaten.
Glauben Sie, dass irgendwann Frieden in Syrien möglich wird?
Solange Baschar al-Assad an der Macht bleibt, ist das unmöglich. Ich liebe meine Heimat. Damaskus ist wunderschön. Aber was soll man machen?
Das Gespräch führte unser Mitarbeiter Toni Spangenberg.