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„…kann man nicht mit einfachen Worten beschreiben…“
Theaterstück „Über das Meer“ berührt und verbindet
Im Rahmen der Interkulturellen Woche lud die AWO, das Projekt Stadtteilmütter, am 23. September 2025 ins neue Stadtteilzentrum Ostend am Gallasiniring ein. Gezeigt wurde das Theaterstück „Über das Meer“, das eindrücklich die Geschichten Geflüchteter erzählt – nicht in Zahlen allein, sondern in Stimmen, Klängen und Bildern.
Ein vielfältiges Publikum
Im Saal versammelten sich junge Menschen, Familien, Senioren – Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Unter den Gästen waren sowohl Betroffene mit eigener Fluchterfahrung als auch Angehörige, Fachleute und Engagierte, die beruflich oder ehrenamtlich immer wieder mit Geflüchteten in Kontakt stehen.
Besonders mehrere Mütter konnten teilnehmen, weil parallel eine Kinderbetreuung organisiert war: Für ältere Kinder durch den Jugendclub Ostend, für Kinder bis sechs Jahre durch das AWO-Projekt FriDa.
Theater mit einfachen Mitteln – und großer Wirkung
Das Stück basiert auf Interviews mit Geflüchteten, die aktuell in verschiedenen Bundesländern leben. Statistiken und Zahlen wurden nicht nüchtern vorgetragen, sondern verstärkt durch Musik, Klänge, Geräusche und Zitate aus den Interviews, sodass sie greifbar wurden. Mit einfachen Mitteln – Papierfiguren, Papierschnitzel und wenigen Instrumenten – gelang es der Künstlerin Jessica Stukenberg, den Blick auf das Wesentliche zu lenken: das Schicksal der Menschen.
Ein Gast brachte es auf den Punkt: „Was die Geflüchteten an Kräften und Willen haben, kann man nicht einfach mit Worten beschreiben.“
Stimmen aus dem Publikum
Viele Besucher:innen betonten, dass das Stück deutlich machte, was hinter Schlagzeilen und Nachrichten fehlt: die persönliche Dimension: „In den Medien hören wir fast nur politische oder militärische Sichtweisen. Aber was die Menschen wirklich erleben, erfahren wir kaum. Dieses Stück hat das verändert.“
Im anschließenden Austausch erzählte ein junger Mann, der als 14-Jähriger fliehen musste, von seiner Erfahrung: Tagelang unterwegs, mit einer riesigen Gruppe von rund 100.000 Menschen, im Winter barfuß durch Matsch und Flüsse, ohne Koffer, oft ohne Wasser. Für seine vierköpfige Familie zahlten sie insgesamt 40.000 Euro, um von Syrien nach Griechenland zu gelangen. Erst dort erhielten sie Unterstützung vom Roten Kreuz.
Im Stück selbst wurde ein anderer Fakt deutlich: Schon allein der Preis für die Überfahrt auf einem Schlauchboot betrug 2.500 Euro pro Person – bei völlig überfüllten, unsicheren Booten.
„Diese Geschichte wiederholt sich“
Ein Satz blieb besonders hängen: „Die Geschichte wiederholt sich.“
Immer wieder zwingen Kriege und Konflikte Menschen, ihre Häuser und Familien zu verlassen – nicht aus freiem Willen, sondern aus Zwang. Die Geschichten zeigen Mut, Kraft und Ausdauer. Wer nie Hunger leiden oder Haus und Besitz zurücklassen musste, kann die Dimension kaum erfassen. Das Theaterstück brachte die Gäste einen Schritt näher an die innere Welt Geflüchteter – und an die Werte, die uns verbinden.
Integration braucht Begegnung
Das Projekt Stadtteilmütter hat dieses Stück bewusst eingeladen, weil viele Frauen im Projekt, in der AWO und Menschen unter den Ehrenamtlichen, – selbst Fluchterfahrung haben oder enge Angehörige noch immer in Kriegsgebieten leben. Es ging darum, einander kennenzulernen und sich zu begegnen – unabhängig von Herkunft oder Biografie.
Reflexion: Geschichten wirken weiter
In einer anschließenden Reflexionsrunde mit den Stadtteilmüttern am nächsten Tag wurde deutlich: Fluchtgeschichten enden nicht mit der Ankunft. Sie begleiten die Menschen ein Leben lang. Eine Teilnehmerin schilderte, dass auch nach zehn Jahren in Deutschland jedes laute Geräusch – ein platzender Reifen oder Ballon – sofort Erinnerungen an Bomben weckt.
Diese Geschichten bleiben – und sie zeigen, wie wichtig es ist, Räume des Vertrauens und Zuhörens zu schaffen. Nur dort können Betroffene ihre Erfahrungen teilen.
Am Ende stand der Bezug zu den Grundwerten der AWO: Gleichheit, Gerechtigkeit, Toleranz, Solidarität und Freiheit. Werte, für die alle Menschen kämpfen – ob sie auf der Flucht sind oder seit Geburt in ihrem Land leben.
Das Theaterstück hat deutlich gemacht:
Wir sind einander ähnlicher, als wir oft denken. Und was heute Menschen erleben, geschah höchstwahrscheinlich auch schon mit unseren Verwandten vor Jahren. Jetzt gilt es, Schritte zu gehen – einander kennenzulernen, Brücken zu bauen und gemeinsam Integration zu gestalten. Wichtig sind nicht die Zahlen, sondern die Menschen selbst.
Dank und Ausblick
Die AWO dankt allen Besucher:innen für ihre Spenden sowie den Kooperationspartnern für die Kinderbetreuung, dem Freien Theater Fulda für hervorragende Arbeit und an die Förderer und Unterstützer für Ermöglichen des Angebots.
Wer von den Frauen mit Migrationshintergrund an dem Projekt „Stadtteilmütter“ und Multiplikatorinnen-Schulungen teilnehmen möchte, gerne meldet euch bei Iryna Böhm .