Minenaufklärung, Therapieangebote und Kinonachmittage – Bericht von einem Projektbesuch in Tschernihiv
(David Starke, AWO International Programmkoordinator Ukraine)
Es ist ein bewölkter Mittwochnachmittag am 28. Juni 2023. Zum insgesamt dritten Mal bin ich nun in der Ukraine und besuche Projekte, die AWO International hier gemeinsam mit ukrainischen Partnerorganisationen umsetzt. Heute bin ich mit meinem Kollegen Anton Plaksun, der im AWO International-Büro in Kiew arbeitet, unterwegs nach Anysiv. Das ist ein kleines Dorf in der Region Tschernihiv, die sich nördlich von Kiew befindet und an Belarus sowie Russland grenzt. Mit uns im Auto sitzen Iryna Dasiuk und Anna Putzova, Mitarbeiterinnen unserer Partnerorganisation savED. Wir sind auf dem Weg zu einem Projekt, an dem wir gemeinsam schon seit Anfang des Jahres arbeiten. Um Anysiv zu erreichen, müssen wir aber zunächst einen langen Umweg fahren. Der direkte Weg führt über eine Brücke des Flusses Desna, die von der russischen Armee zerstört wurde.
In Anysiv steht ein Mehrzwecklernzentrum, das savED zusammen mit AWO International und finanzieller Unterstützung von Aktion Deutschland Hilft aufbaute und betreibt. An diesem Nachmittag werden wir trotz Sommerferien von der Rektorin der Schule und zwei Tutorinnen empfangen. Oksana, eine der beiden Tutorinnen, erklärt uns die Funktion des Zentrums: „Hier treffen sich nach dem Schulunterricht die Kinder und Jugendliche, weil es bei uns im Dorf keinen anderen sicheren Treffpunkt gibt. Wir machen den Kindern unterschiedliche Freizeitangebote. Am beliebtesten sind die Kinonachmittage. Aber es finden auch viele niedrigschwellige Therapieangebote statt, weil die Kinder im letzten Jahr sehr viel Schreckliches erlebt haben.“ Der Begegnungsort bietet Sicherheit vor Bombenangriffen und ermöglicht den Kindern und Jugendlichen auch während des Krieges Freunde zu treffen und Hobbys nachzugehen. Gerade in stark umkämpften Gebieten stellen diese Zentren damit einen konkreten Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation dar.
Das Mehrzwecklernzentrum in Anysiv befindet sich im Keller des örtlichen Schulgebäudes, weil es mehrmals wöchentlich Alarme wegen Luftangriffen gibt. Dann sind alle Schüler*innen und Lehrer*innen verpflichtet, Schutzräume aufzusuchen. Diese sind normalerweise im Keller. Als wir im Oktober letzten Jahres den Schutzraum der Schule zum ersten Mal besichtigen, war dieser für einen längeren Aufenthalt nicht geeignet. Er war kalt, dunkel und feucht. Nach dem Umbauarbeiten von savED ist aus dem Keller ein gemütlicher Raum geworden. Der Boden wurde gefliest, Heizungen und Toiletten installiert, Stromleitungen verlegt sowie Wände und Decke verputzt. Außerdem wurden die Räume mit neuen Möbeln und IT-Geräten ausgestattet. An diesem Nachmittag sind 25 Kinder in das neue Lernzentrum gekommen. Die Jüngsten sind sieben, die Ältesten sechzehn Jahre alt. Während die jüngeren Kinder malen, arbeiten die Jugendlichen konzentriert an einer Zeitung, die sie dort gegründet haben.
Das Lernzentrum im Luftschutzkeller bietet aber auch für Erwachsene Möglichkeiten zum Austausch. So treffen sich beispielsweise regelmäßig Frauen und Mütter, deren Männer im Krieg kämpfen. Ein Kurs zur Vermeidung von Unfällen durch Landminen sei ganz besonders gefragt, erklären uns Iryna und Anna – die beiden savED-Mitarbeiterinnen.
AWO International und savED planen in diesem Jahr noch drei weitere Mehrzwecklernzentren einzurichten. Dafür bitten wir um Spenden.
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